Die Neue Werkbühne München inszeniert Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ für die Jahrgangsstufen 11 und 12

Am 12. 2. 2025 konnten die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 11 und 12 Heinrich von Kleists Lustspiel „Der zerbrochene Krug“ in einer von der Neuen Werkbühne München aufbereiteten Fassung erleben.

Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorf im Bezirk Utrecht im 18. Jahrhundert. Dargestellt wird eine Gerichtsverhandlung, in der der Dorfrichter Adam folgenden Vorfall klären soll: Marthe Rull beschuldigt Ruprecht, den Verlobten ihrer Tochter Eve, am vorherigen Abend einen Krug, das titelgebende Symbol, in ihrem Haus zerstört zu haben. Ruprecht versichert aber seine Unschuld. Ein Fremder sei in das Haus eingebrochen und habe dieses fluchtartig durch ein Fenster verlassen, wobei der Krug vom Fensterbrett gefallen sein muss. Genau an dem Tag der Gerichtsverhandlung aber hat sich Gerichtsrätin Walter angemeldet, um zu überprüfen, ob bei den Verhandlungen des Dorfrichters alle Formalitäten korrekt eingehalten werden und auch eine Überprüfung der Kassen und Akten ist vorgesehen. Richter Adam ist nun gezwungen über eine Tat zu richten, die er selbst begangen hat – denn Adam hat seine Amtsautorität missbraucht. Er hat das junge Mädchen Eve sexuell bedrängt und ihr gedroht, dass Ruprecht als Soldat in einen Kolonialkrieg geschickt werden soll, sollte sie ihm nicht zu Willen sein. Bei seiner überstürzten Flucht aus Eves Zimmer geht schließlich der besagte Krug zu Bruch.

Dieser  durchaus ernste Stoff – ein Vorfall sexueller Nötigung – wird nur deshalb zum Lustspiel, da Adam seine Täterschaft durch eine durchschaubare und auch absurde Prozessführung zu verheimlichen versucht, die die Zeugen zum einen mit Drohungen, zum anderen mit seinen aberwitzigen Ausführungen beeinflusst und verwirrt und damit für komödienhafte Züge sorgt. So wird dem Zuschauer der Täter fast sympathisch. Der größte Eingriff der Theatergruppe in den Originaltext Heinrich von Kleists ist aber die Besetzung der Rolle des Gerichtsrats Walter durch eine Frau, was dem Stück durchaus einen anderen Charakter verleiht und zur Aktualisierung einlädt. Denn während Eve sich im 18. Jahrhundert vor einem ausschließlich aus Männern bestehenden Gerichtsapparat hätte behaupten müssen, um ihr Recht durchzusetzen, kann sie sich in dieser Version der Solidarität der Gerichtsrätin Walter eher gewiss sein. Dorfrichter Adam muss auf alle Fälle seinen Posten verlassen und für Eve nimmt die Handlung ein versöhnliches Ende.

Die Schauspielerinnen und Schauspieler des Theaterensembles wussten ihr Publikum durch ihr engagiertes Schauspiel zu begeistern. Das Werkstattgespräch im Anschluss an die Inszenierung, geführt von Ansgar Wilk, dem Leiter der Theatergruppe, trug schließlich zum Verständnis des Gesehenen bei. So hat der Theaterbesuch die Zuschauer einerseits erheitert, andererseits aber auch nachdenklich zurückgelassen, denn die #MeToo – Debatte gehört auch in unsere Zeit und erhitzt die Gemüter.

Die Fachschaft Deutsch bedankt sich ganz herzlich bei unserem Elternbeirat, der diese Veranstaltung großzügig unterstützt hat!

Andrea Hingsammer