Im Geographie-Lehrplan der achten Klassen stehen unter anderem der Orient und Afrika. Außerdem soll das Thema Migration und Flucht behandelt werden. Da Deutschland seit 2015 viele Flüchtlinge aus diesen Regionen aufgenommen hat und aktuell über 100 von ihnen in Wolnzach leben, lag es nahe, einige Vertreter in den Unterricht einzuladen. Praktisch ist auch, dass eines der Wohnheime direkt um die Ecke liegt.

Mit etwas Mühe fanden Frau Koch und Herr Lohr, die die achten Klassen in Geographie unterrichten, zwei geeignete „Kandidaten“: A. (der seinen Namen nicht im Internet sehen möchte) aus dem westafrikanischen Gambia und M. aus Afghanistan (links im Foto, mit traditioneller Kleidung), der einen Freund mitbrachte. Beide erzählten in den verschiedenen Klassen jeweils eine ganze Schulstunde lang viel zu ihren Fluchtgründen und ihrer abenteuerlichen Reise nach Deutschland, was hier nur auszugsweise wiedergegeben werden kann. Eine längere Fassung erscheint im Jahresbericht. A. etwa musste seine Heimat verlassen, weil sein Vater gestorben war und es ihm (damals etwa 18 Jahre alt) und seiner Mutter nicht gelang, ausreichend Geld für die ganze Familie, zu der noch drei jüngere Schwestern gehören, zu verdienen. Seine Flucht quer durch die lebensfeindliche Sahara dauerte bis zur Ankunft in München fast drei Jahre.

Hier in Wolnzach wohnt und arbeitet A. nun bei einer Familie, wo er sich um deren Kinder und Pferde kümmert. Er schickt seiner Familie alles Geld, das er ersparen kann, und hofft, eines Tages nach Gambia zurückzukehren und dort mit dem gesparten Geld eine neue Existenz zu gründen.

M. stammt aus der Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan, wo die Taliban immer wieder für Angst und Schrecken sorgen. Von der Schule dort berichtete er, dass sie theoretisch 12 Jahre dauert, aber wer nicht so gut lernt oder in der Familie mitarbeiten muss, bricht sie schon mit zwischen 8 und 12 Jahren ab und macht etwa eine praktische Ausbildung.

Als die Bedrohung durch Terror und Bomben in M.s Heimat immer größer wurde, beschloss er, zu fliehen. Seine Reise dauerte „nur“ 40 Tage, war aber auch immer wieder lebensgefährlich. Und auf jeden Fall extrem unbequem: Teils fuhr er mit anderen Flüchtlingen zu neunt in einem Kleinwagen mit (drei vorne, vier auf dem Rücksitz, zwei im Kofferraum), teils waren knapp 30 Passagiere auf der Ladefläche eines Pickup eingepfercht, was M. mit Schülern der Klasse anschaulich demonstrierte. Hier hat er sich schon ziemlich gute Deutschkenntnisse angeeignet, so dass er inzwischen fünf Sprachen spricht und auch öfter als Dolmetscher arbeiten kann. Da sein Abschluss hier nicht anerkannt wird, versucht er, in Ingolstadt noch einmal zu studieren. Am Tag nach seinem Besuch erreichte uns jedoch die bestürzende Nachricht, dass M.s Asylantrag abgelehnt worden sei. Das Thema bewegte doch alle, und es herrschte allgemeines Unverständnis darüber, dass A. und M., die sich gut integrieren, niemandem Arbeit wegnehmen und sich selbst ernähren können, kaum Chancen haben, hier zu bleiben. Diese Argumente zählen leider überhaupt nicht. Wer nicht EU-Bürger ist, kann nur als anerkannter oder geduldeter Asylbewerber in Deutschland bleiben, und dazu muss das zuständige Amt anerkennen, dass man in seiner Heimat z.B. ungerechtfertigt eingesperrt, mit dem Tod bedroht oder gefoltert wird.