Die Klasse 7B erhielt im Rahmen des Geographie-Unterrichts die Gelegenheit, Arif H., einen Asylbewerber aus Afghanistan, „live“ kennenzulernen. Der 26jährige, der in Pakistan Informatik studiert hatte, nahm sich eine Stunde lang Zeit, über sich und sein Land zu erzählen sowie Fragen der Schülerinnen und Schüler zu beantworten. Da im Gegensatz zu ihm in seiner Heimat rund 63% der Menschen Analphabeten sind, gehörte er gewissermaßen zu einer privilegierten Gruppe. Nach dem Abschluss seines Studiums in Pakistan arbeitete er – vor der Machtübernahme durch die Taliban im Jahr 2021 – sogar für die Regierung seines Landes und gründete eine Software-Firma, die bis zu 40 Mitarbeiter beschäftigte. Doch alles änderte sich schlagartig, als die Taliban die Regierung gewaltsam übernahmen: Arif gehört einer anderen Volksgruppe an als die Taliban, die sofort in Ungnade fiel. Als Mitarbeiter der Vorgänger-Regierung stand er zusätzlich auf der Abschussliste. Hinzu kam, dass er nicht Muslim ist, wofür man in Afghanistan mit der Todesstrafe bedroht wird. Viele sehr gewichtige Gründe also, so schnell wie möglich das Land zu verlassen.
Arif landete in Wolnzach und wohnte einige Monate zusammen mit dutzenden weiteren Flüchtlingen in der Siegelhalle. In dieser Sammelunterkunft gibt es keine Privatsphäre. Durch das Beschäftigungsverbot ist es langweilig. Deutschstunden wurden monatelang nur durch wenige freiwillige Helfer angeboten.
Aber Arif beklagt sich nicht. Er wurde inzwischen als Flüchtling anerkannt und darf jetzt arbeiten. Sein Deutsch verbessert er fleißig, er hat eine kleine Wohnung gefunden und sucht nun nach einem passenden Job. Der Klasse berichtet er, dass viele Arbeitgeber skeptisch sind, ob seine Informatik-Kenntnisse vergleichbar sind mit denen deutscher Absolventen – Abschlüsse asiatischer Universitäten werden hier oft nicht anerkannt, obwohl seine Uni nach dem Lehrplan der Universität Oxford unterrichtete.
Auch wenn er erst ein Jahr hier ist, empfindet er Deutschland schon als seine Heimat und lehnte sogar ein Angebot ab, zu einem Freund in die USA zu ziehen. Von einer Schülerin gefragt, was sein größter „Kulturschock“ hier war, fiel es ihm schwer, nur einen Aspekt herauszugreifen, da so vieles hier sehr unterschiedlich sei. Dass er vor einer siebten Klasse stehe, in der Mädchen und Jungen sitzen, sei ein Beispiel: In Afghanistan gebe es nur getrennte Schulen für Jungen und Mädchen. Seit 2021 dürfen Mädchen nur noch bis zur 6. Klasse die Schule besuchen. Frauen und Mädchen dürfen sich in der Öffentlichkeit nur noch verschleiert zeigen und nicht ohne männliche Begleitung das Haus verlassen. In vielen nicht-staatlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern dürfen sie nicht mehr arbeiten, was zu großen Problemen nicht nur bei der Gesundheitsversorgung geführt hat.
Arif berichtete der Klasse in gutem Englisch und zeigte sich sehr erfreut über das Interesse und das Wissen der Schülerinnen und Schüler. Für die meisten war es der erste direkte Kontakt mit einem Asylbewerber, was sehr wichtig ist, da zwar viel über diese Gruppe geprochen wird, wovon nicht alles der Wahrheit entspricht, aber selten mit ihr. So konnte dieser Besuch einen kleinen Beitrag leisten zur Völkerverständigung und zu Toleranz gegenüber Immigranten, ganz im Sinne des Schulmottos „Schule ohne Rassismus“ (SoR).
Text und Foto: M Lohr