Die Neue Werkbühne München präsentiert für die Q11

Friedrich Schillers „Maria Stuart“

„Von neid’schem Hasse war mein Herz erfüllt,

Und Rachgedanken tobten in dem Busen.

Vergebung hofft‘ ich Sünderin von Gott

Und konnte nicht der Gegnerin vergeben.“

(V.3675-3679)

Dieses desaströse Urteil fällt Maria Stuart, Königin von Schottland, im fünften Akt des Dramas „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller über sich selbst. Wie es dazu kommt, das durften die Schülerinnen und Schüler der Q11 am 8. Februar 2023 in der Aula des Hallertau-Gymnasiums live erleben.

Die Handlung des Dramas setzt ein, als Elisabeth I., Königin von England, Maria gefangen hält, die in England Zuflucht gesucht hatte, da sie in Verdacht steht, an der Ermordung ihres Mannes Lord Darnley beteiligt gewesen zu sein. Elisabeth sieht in ihr aber eine Rivalin um den englischen Königsthron und auch in ihrer Rolle als Frau, was zu einem erbitterten Konflikt zwischen diesen beiden Frauen führt, in dem Maria am Ende unterliegt. Am Höhepunkt des Dramas, im sogenannten Königinnenstreit im dritten Akt, lässt sich Maria von Elisabeth gedemütigt dazu hinreißen, ihre Gegnerin als Bastard und sich selbst als rechtmäßige Königin von England zu bezeichnen, womit sie ihren Untergang besiegelt. Als die Hinrichtung nun unausweichlich scheint, fügt sie sich in ihr Schicksal und nimmt nach einer Beichte ihren Tod als gerechte Sühne für die Beteiligung am Mord ihres Ehemannes an. Wenn Maria von außen betrachtet als die Gescheiterte gelten muss, so ist sie doch moralisch gesehen die Siegerin, denn Elisabeth bleibt als eine zerrissene, von Schuldgefühlen geplagte Herrschende zurück, die an ihrer Gegnerin trotz Zweifeln ein ungerechtes Todesurteil vollziehen lässt, während Maria ihrer Rivalin dies am Ende doch vergeben kann.

Die von der Neuen Werkbühne München gekürzte und bearbeitete Fassung des Dramas legt den Fokus auf den Konflikt der beiden Frauenfiguren: Elisabeth als die Verkörperung von Ratio und Staatsräson – Maria als deren Antagonistin, der man eher die Begriffe Gefühl und Sinnlichkeit zuschreiben würde, müssen, um im Politikbetrieb der damaligen Zeit bestehen zu können, männliche Rollen ausfüllen und dürfen nicht nach ihren Gefühlen Entscheidungen treffen. Diese Selbstverleugnung wird von der Schauspielerin Janet Bens als Elisabeth eindrücklich in Szene gesetzt. Sarah Giebel, die Darstellerin der Maria, scheint dagegen mit sich im Reinen zu sein, als sie der Hinrichtung entgegensieht und ihrer Rivalin schließlich verzeihen kann. Interessant ist die Besetzung des Edelmannes Mortimer durch eine Frau, Verena Konietschke, der Maria zwar begehrt, sie aber doch nur besitzen möchte und sie schließlich nicht retten kann, weil er sich in Intrigen verstrickt. Die Inszenierung schafft einen gelungenen Spagat zwischen traditioneller und moderner Umsetzung. Während das Bühnenbild durch Abbildungen von Figuren aus dem zeitgenössischen Umfeld des Dramas (z. B. Heinrich VIII.) den Zuschauer in die Zeit des 16. Jahrhunderts zurückversetzt, setzen die Kostüme (Elisabeth erscheint in einem weißen Buisnessanzug) und die Musikwahl („God save the Queen“ von den Sex Pistols) zumindest teilweise einen Kontrapunkt und transportieren die Handlung auch in die Gegenwart. Alles in allem bietet die Neue Werkbühne München eine wirklich sehenswerte Aufführung des Klassikers, die nach einer langen Pause wieder Theaterluft an das HGW gebracht hat.

Der Dank der Fachschaft Deutsch geht an den Elternbeirat, der diese Veranstaltung großzügig unterstützt hat!

Andrea Hingsammer