Die Neue Werkbühne München präsentiert für die 10. Jahrgangsstufe

Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“

Jerusalem im Jahre 1192 – die heilige Stadt ist von den Osmanen erobert, Jerusalem wird von Sultan Saladin regiert. In diese unruhige Zeit des dritten Kreuzzuges versetzt uns der Autor Gotthold Ephraim Lessing mit seinem 1783 entstandenen Drama „Nathan der Weise“, das die Neue Werkbühne München den 10. Klassen am 9. 2. 2023 in der Aula des HGW darbot.

Nathan, ein reicher jüdischer Kaufmann, ist gerade von einer Geschäftsreise zurückgekehrt, als er erfahren muss, dass seine Tochter Recha von einem Templer vor dem Feuertod gerettet worden ist. Dieser Tempelherr, ein Angehöriger eines christlichen Ritterordens, verdankt selbst sein Leben der unerwarteten Begnadigung durch Sultan Saladin, dessen verschollenem Bruder er sehr ähnlich sieht. Da der Sultan einen sorglosen Umgang mit Geld pflegt und ständig in Geldnöten ist, will er die sagenumwobene Freigebigkeit des Nathan auf die Probe stellen. Er lässt Nathan zu sich kommen und versucht ihn durch die Frage nach der wahren Religion in Bedrängnis zu bringen. Damit glaubt er ihn erpressbar zu machen. Doch der weise Nathan lässt sich nicht in die Falle locken. Mit seiner berühmten „Ringparabel“ gibt er ihm eine Antwort, die ihn völlig aus dem Konzept bringt und ihn zwingt, seine eigene Position zu überdenken: Keine der drei großen Religionen darf von sich behaupten, die wahre zu sein. Einen Wettstreit unter den Religionen soll es aber dennoch geben:

„Es eifre jeder seiner unbestochnen, Von Vorurteilen freien Liebe nach!“

(V. 2041 f.)

Nicht der Streit um den Wahrheitsgehalt von Religionen, sondern in der Nächstenliebe ist gefordert. So kommt es nach einigen Wirrungen am Ende zu einem Happy End, in dem alle als Menschheitsfamilie vereint sind. Eine Utopie, die auch Lessing sich zu seinen Lebzeiten nur erträumen konnte, was ihn aber nicht davon abhielt, mit seinen Werken erzieherisch wirken zu wollen.

Diesem pädagogischen Ethos hatte sich auch das Theaterensemble der Neuen Werkbühne München verschrieben, das dieses Drama engagiert und voller Pathos inszenierte. Trotz enormer Kürzungen des Originaltextes gelang es, den Charakter der Sprache Lessings zu erhalten und den Inhalt des Stückes auf den Gedanken der Wahrheitssuche und der Toleranz zu fokussieren. Dass dieses Werk von geradezu frappierender Aktualität ist, wurde den Zuschauern durch jeweils zwei aus dem Hintergrund hervortretenden Erzählern eindringlich vor Augen geführt, die Informationstexte zu Religionen und Religionskonflikten in Vergangenheit und Gegenwart vortrugen und dadurch den Handlungsfluss unterbrachen. Durch geschickt eingesetzte Lichttechnik – während der Ansprache der Erzähler „verschwinden“ die Figuren im Dunkeln, die Erzähler treten in den Fokus – entstand so auf der Bühne ein neuer Raum. Auch durch das Bühnenbild, das einerseits in die Zeit des 12. Jahrhunderts zurückversetzt, aber andererseits auch Anspielungen auf den gegenwärtigen Religionskonflikt zwischen Juden und Palästinensern in Israel enthält, wird eine Brücke in die Gegenwart geschlagen.

Die durchaus gelungene Inszenierung lässt aber doch einen Wunsch offen: Zwar kann  durch die Kürze des Stückes die Kernaussage von Lessings Drama deutlicher hervortreten, dies hat aber den Nachteil, dass die Frauenfiguren in dieser Bearbeitung nur eine geringe Rolle spielen. Ausschließlich Daja erhält einen nennenswerten Raum, Recha dagegen bekommt nur zwei kleine Auftritte und die einzig wirklich „starke“ Frau – die Schwester Saladins – wurde gänzlich gestrichen. Ein kleiner Wermutstropfen in einer ansonsten beeindruckenden Aufführung!

Der Dank der Fachschaft Deutsch geht an den Elternbeirat, der diese Veranstaltung großzügig unterstützt hat!

Hier noch einige Stimmen unserer SchülerInnen der 10. Jahrgangsstufe:

„Ich fand das Theater ganz cool. Es hat etwas zum Verständnis des Stückes beigetragen. Leider war es zu kurz.“

„Das Stück wurde angemessen auf die vorgegebene Zeit gekürzt und die Darsteller haben die Charaktere gut dargestellt. Die informierenden Einschnitte fand ich gut, auch wenn ich denke, dass die meisten die Infos schon wussten.“

„Die Theateraufführung „Nathan der Weise“ war eine schöne Abwechslung zum Unterricht. Natürlich ist es viel schöner, wenn man ein Stück, das für die Bühne geschrieben wurde, auch tatsächlich auf einer Bühne sieht. Leider war das Stück etwas kurz und manche Charaktere und Handlungsstränge wurden sogar vollständig weggelassen. Die Einschübe, die die Theatergruppe hinzufügte, waren zwar informativ, aber manchmal etwas überflüssig. Letztendlich würde ich die Erfahrung als eher positiv bewerten, auch wenn sie – meiner Meinung nach – noch besser hätte sein können.“

 „Ich fand die Inszenierung des Stückes lehrreich. Sie hat mir zum Verständnis des Werkes sehr geholfen.“